Rechtsanwälte Balschbach, Martin & Reiter
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Der Pflichtteilsrecht
Jeder Erblasser hat aufgrund seiner gesetzlich garantierten Testierfreiheit die Möglichkeit alle oder nur bestimmte einzelne
Angehörige zu enterbten. Wird ein nächster Angehöriger im Sinne des § 2303 BGB vom Erblasser durch Verfügung von Todes
wegen (Testament) enterbt, so kann dieser von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Insoweit schafft das Pflichtteilsrecht einen
Ausgleich zwischen den Grundsätzen der gesetzlichen und gewillkürten Erfolge.
I. Allgemeines
Pflichtteilsberechtigte sind nach § 2303 BGB Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten des Erblassers. Der Pflichtteilsanspruch
erzeugt lediglich einen persönlichen Anspruch auf eine bestimmte Geldsumme gegen den oder die Erben. Der
Pflichtteilsberechtigte ist folglich nicht am Nachlass, also an den einzelnen Nachlassgegenständen, beteiligt. Der
Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall (Tod des Erblassers), unter der Voraussetzung, dass der Pflichtteilsberechtigte vom
Erblasser ausdrücklich oder konkludent durch eine Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen
worden ist.
II. Höhe des Pflichtteilsanspruches
Die Höhe des Pflichtteilsanspruches ist von zwei Faktoren abhängig. Einerseits von der Pflichtteilsquote und andererseits von
dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Die Pflichtteilsquote ergibt sich aus der Halbierung des gesetzlichen
Erbteils. Der Nachlasswert ist gemäß den §§ 2311 ff BGB zu ermitteln, wobei maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertermittlung
der Zeitpunkt des Todes des Erblassers ist. Diesbezüglich hat der Pflichtteilsberechtigte einen Wertermittlungsanspruch nach §
2314 Abs. 1 S. 2 BGB und einen Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den oder die Erben. Im Bezug auf
den Wertermittlungsanspruch ist zu beachten, dass der vom Erben ermittelte Wert für den Pflichtteilsberechtigten nicht bindend
ist. In diesem Rahmen entstehen der Praxis sehr häufig Streitigkeiten zwischen den Pflichtteilsberechtigten und dem Erben. Die
Erben kommen zumeist ihrem Wertermittlungs- und Auskunftsanspruch im Rahmen der Erstellung eines entsprechenden
Nachlassverzeichnisses nach. Vom ermittelten Brutto- Nachlass sind dann zur endgültigen Berechnung des
Pflichtteilsanspruches die Nachlassverbindlichkeiten und Nachlassschulden abzuziehen.
Bei der Höhe des Pflichtteilsanspruches ist zu beachten, dass sich der Pflichtteilsberechtigte auf dessen Pflichtteil
Zuwendungen gemäß § 2315 BGB und Vorempfänge im Sinne der §§ 2050 ff BGB anrechnen lassen muss.
III. Die verschiedenen Pflichtteilsansprüche
Neben dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch gemäß § 2317 BGB können noch der Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB,
der Ausgleichspflichtteilsanspruch nach §§ 2050, 2316 BGB, der Anrechnungspflichtteilsanspruch nach § 2315 BGB und der
Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB bestehen.
a.)
Unter dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch versteht man den aus dem brutto Nachlass errechneten Pflichtteil.
b.)
Wurde der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser nicht entbehrt - ist dieser also Miterbe geworden -, und ist der vom
Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten zugewendete Erbteil geringer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und damit
geringer als der Pflichtteil, so kann der Pflichtteilsberechtigte von den Miterben, zusätzlich zu seinem unzureichenden
Erbteil, noch einen Ausgleich in Geld in Höhe des Differenzbetrages zum Pflichtteil fordern
(Pflichtteilsrestanspruch).
c.)
Hat der Erblasser seinen Abkömmlingen zu dessen Lebzeiten ausgleichspflichtige Vorempfänge zukommen lassen -
hierunter fallen, die Ausstattung, die Zuschüsse zu Einkünften, Aufwendungen für Vorbildung zu einem Beruf und alle
anderen Zuwendungen, bei denen der Erblasser den Ausgleich bestimmt hat -, sind diese im Rahmen der §§ 2050, 2316
BGB ausgleichspflichtig (Ausgleichspflichtteilsanspruch). So richtet sich der Pflichtteil der Abkömmlinge dann nicht
mehr nach der abstrakten Erbquote, sondern nach dem Erbteil unter Hinzurechnung der anrechnungspflichtigen
Vorempfänge.
d.)
Zuwendungen des Erblassers zu dessen Lebzeiten an einen Pflichtteilsberechtigten muss sich dieser auf seinen
Pflichtteil dann anrechnen lassen, wenn der Erblasser dies ausdrücklich bestimmt hat. Hiermit soll eine doppelte
Begünstigung, durch Minderung des Pflichtteils, des Beschenkten vermieden werden. Für die Berechnung des
Anrechnungspflichtteils wird der Wert im Zeitpunkt des Empfangs der Zuwendung unter Berücksichtigung des
Lebenshaltungskostenindex dem tatsächlichen Nachlass hinzu addiert. Dies ergibt dann den sogenannten
Anrechnungsnachlass, aus dem dann unter Heranziehung der Pflichtteilsquote der Anrechnungspflichtteilsanspruch
bestimmt wird.
e.)
Den meisten gesetzlichen und testamentarischen Erben ist nicht bekannt, dass ihnen bei lebzeitigen Schenkungen des
Erblassers neben der Erbschaft ein Pflichtteilsergänzungsanspruch aus §§ 2325 ff BGB gegen die Miterben oder den
Beschenkten zu stehen kann. Für das Bestehen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist das Bestehen eines
ordentlichen Pflichtteilsanspruches nicht erforderlich; es ist insoweit ausreichend dass der Anspruchssteller im Falle
einer Enterbung einen Pflichtteilsanspruch geltend machen könnte. Dies ergibt sich daraus, dass der
Pflichtteilsergänzungsanspruch ein selbstständiger Pflichtteilsanspruch neben dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch ist.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann immer dann geltend gemacht werden, wenn der Erblasser einem Dritten eine
Schenkung zugewandt hat. Im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs werden grundsätzlich nur Schenkungen
innerhalb der letzten 10 Jahre berücksichtigt. Seit 01.01.2010 gilt die so genannte „Pro-Rata-Lösung“; d.h. nur im
ersten Jahr vor dem Erbfall wird die Schenkung im vollen Umfang herangezogen, in den Folgejahren wird diese nur
noch anteilig berücksichtigt. Im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wird dem tatsächlichen Nachlasswert der
Wert der anzurechnenden Geschenke hinzu addiert und aus dem neugebildeten Nachlasswert wird dann nach der
jeweiligen Pflichtteilsquote die Höhe des jeweiligen Pflichtteilsergänzungsanspruchs berechnet.
IV. Verlust des Pflichtteilsanspruchs
Ein Pflichtteilsberechtigte kann durch einen Pflichtteilsverzicht gemäß § 2346 BGB auf seinen Pflichtteil auch für die Zukunft
verzichten. Durch eine Ausschlagung der Erbschaft im Sinne von § 1953 Abs. 1 BGB verliert die Erde gegebenenfalls auch
seinen Pflichtteilsanspruch. Nur in Ausnahmefällen bleibt trotz Ausschlagung das Recht auf den Pflichtteil erhalten (§§ 2306
Abs. 1 S. 2, 2307, 1371 Abs. 3 BGB und im Falle einer testamentarischen Erbeneinsetzung). Darüber hinaus verjährt der
Pflichtteilsanspruch innerhalb von drei Jahren.
V. Schuldner des Pflichtteilsanspruchs
Gemäß § 2303 BGB haben die Pflichtteilslast grundsätzlich die Erben als Gesamtschuldner zu tragen. Dies hat zur Folge, dass
der Pflichtteilsberechtigte sowohl von einem Einzelnen als auch gegen alle Miterben gemeinsam dessen Pflichtteilsanspruch
geltend machen kann. Der Pflichtteilsanspruch kann nicht gegen einen Vermächtnisnehmer oder anderen
Pflichtteilsberechtigten gerichtet werden.